Im Januar 2011 hatte ich in einem Blogpost über das hausgemachte Hochwasser an der Dahme verärgert gefragt, ob die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vielleicht an die Börse gehen will. (Sie schien nämlich ihre Infrastruktur ebenso gnadenlos auf Verschleiß zu fahren wie die Deutsche Bahn). Tja, man kann so sehr überspitzen wie man will: es zeigte sich, dass ich damit nicht so völlig falsch lag. Vom Börsengang ist zwar (noch?) nicht die Rede, aber das Zauberwort Privatisierung steht auch im Mittelpunkt der „Reform“ der WSV, die man sich im Bundesministerium für Verkehr ausgedacht hat.
Ich gebe zu: wer schon einmal mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin zu tun hatte, kann durchaus der Meinung sein, dass dieser Behörde eine Reform gut anstünde. Eine Reform, die vielleicht dazu führen würde, dass man dort etwas bürgerfreundlicher wird.
Aber das wäre natürlich zu schön um wahr zu sein. Wir können zuversichtlich davon ausgehen, dass Verkehrsminister Ramsauers „Reform“ das Gegenteil bewirken wird. Es werden zwar eine Menge Arbeitsplätze wegfallen, dies wird aber wohl überwiegend diejenigen treffen, die etwas Nützliches tun, also die Schleusenwärter/innen, die Arbeiter und Arbeiterinnen bei der Instandhaltung etc. „Leitende Stellen“ hingegen wird es wahrscheinlich danach eher mehr geben als zuvor. Die Berliner S-Bahn hat vorexerziert wie das geht – und wohin es führt. Die Gewerkschaft ver.di (der man nicht alles glauben muss, aber hier halte ich ihre Einschätzung für realistisch) geht davon aus, dass durch die „Reform“ 2.500 Facharbeiter/innen-Stellen wegfallen werden.
Die durch den Stellenabbau geschwächten Wasser- und Schifffahrtsämter werden nicht mehr in der Lage sein, das gesamte Netz der Wasserstraßen instand zu halten. Und hier kommen unsere Interessen ins Spiel, nicht nur die der Charterunternehmen, sondern die aller Bootfahrer, vor allem im Osten Deutschlands. Denn ein Kern der Reform ist auch die Kategorisierung der Wasserstraßen in drei Gruppen. Praktisch alle Wasserstraßen im Osten Deutschlands (außer der HOW und der SOW) fallen dabei in die dritte Gruppe der „sonstigen Wasserstraßen“, auf denen kaum noch Güterverkehr stattfindet.
Das betrifft – um nur ein paar Beispiele zu nennen – die Obere Havel, die Templiner Gewässer, die Müritz-Havel-Wasserstraße, die Dahme-Gewässer … Fast alle Seen, Flüsse und Kanäle, auf denen wir mit unseren Booten unterwegs sind. Diese sollen aus der Verantwortung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes an Dritte abgegeben werden. Ramsauer schwebt dabei offensichtlich vor allem die Übernahme durch private Betreiber vor. Vielleicht wird die eine oder andere Wasserstraße auch (notgedrungen) von einem Bundesland übernommen.
Wie auch immer: Diese Zerstückelung wird mittelfristig dazu führen, dass die Gewässer verkommen, versanden und verlanden. Stellen wir uns doch mal vor, die Schleusen der Oberhavel werden von einem privaten Betreiber betrieben. Mal abgesehen davon, dass er das nicht umsonst tun wird: was wird wohl passieren, wenn er insolvent wird? Oder nicht in der Lage (oder willens) ist, eine Schleuse aufwendig instand zu setzen? Die OHV ist dann eben mal eine Saison nicht mehr passierbar. Durch mangelnde Benutzung vergammeln dann auch die anderen Wasserbauwerke, letztlich auch auf den verbundenen Wasserstraßen. Und natürlich brechen auch die Einnahmen möglicher privater Betreiber der angrenzenden Gewässer ein. In Nullkommanix ist eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Und das war‘s dann. Wenn wir uns vorstellen, dass das Land Brandenburg die Oberhavel betreut, ist das nicht viel besser. Schon jetzt sind die – bisher wenigen -Landeswasserstraßen in einem bedenklichen Zustand – das wird nicht besser werden.
Wenn das einzigartige historisch gewachsene Wasserstraßennetz Deutschlands erhalten bleiben soll und wenn wir auch in Zukunft die Möglichkeit haben wollen, von der Müritz nach Teupitz und von Havelberg nach Oderberg zu fahren, muss diese “Reform“ verhindert werden. Insofern habe ich durchaus Verständnis für die Streiks, wenn sie auch manchmal verdammt lästig sein können. Aber die streikbedingten Schleusensperrungen sind mit Sicherheit nur ein ganz milder Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, wenn Wasserstraßenhasser Ramsauer mit seinen Plänen durchkommt.
Mit dieser Einschätzung stehe ich zum Glück nicht alleine. Wohl so ziemlich alle, die mit dem Wassersport in Deutschland verbunden sind, machen Front gegen die „Reform“. Viele Informationen dazu findet man auf der Seite des Bezirkssportbundes Treptow-Köpenick (Untermenü „Bundeswasserstraßen“).
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