Posts Tagged ‘Seemannschaft’

Sich hineinversetzen in andere

Sonntag, August 23rd, 2020

Neulich bin ich mal wieder mit meinem Segelboot auf dem See unterwegs. Es bläst recht kräftig, wenn auch etwas böig, aber insgesamt ist es eine Freude – und der See ist obendrein ziemlich leer. Nur eine Motoryacht ist in einiger Entfernung zu sehen. Sie kommt näher … hm, das ist Kollisionskurs. Jetzt kann ich erkennen, dass eine Männercrew auf dem Oberdeck sitzt. Solchen Booten weiche ich trotz Wegerecht in der Regel weiträumig aus, denn man weiß nie, ob nicht Alkohol im Spiel  ist. Ich segle aber vor dem Wind und Ausweichen würde entweder bedeuten in die gerade einfallende Böe hinein zu halsen, oder anzuluven und in die Abdeckung einer Insel zu segeln. Also denke ich was soll’s, ich bin ja unübersehbar, Platz ist auch, er wird schon ausweichen …

Aber nein, statt die Fahrt zu verlangsamen und/oder seinen Kurs um ein paar Grad zu ändern und hinter meinem Heck vorbeizufahren, setzt der Skipper seinen Kurs unbeirrt fort, möglicherweise beschleunigt er sogar. Uhh, das wird knapp … also das berühmte Manöver des letzten Augenblicks: hart anluven, Aufschießer. Puh, nochmal gut gegangen.

Ich gebe zu, ich habe eine Kanonade ziemlich unfeiner Schimpfwörter losgelassen, die ich hier nicht wiederholen werde.

Jetzt, wo der Puls wieder runter und das Adrenalin abgebaut ist, denke ich drüber nach: Was ist da passiert? Dass es Absicht war – also Mordversuch – kann man wohl ausschließen. Dass der Skipper nicht weiß, dass er Seglern ausweichen muss? Unwahrscheinlich. Er hat mich nicht gesehen? Hm, ein weißes Segelboot mit 8 m Mast und 12 m² Segelfläche? Eher nicht. Alkohol? Möglich, aber nicht sicher.

Am wahrscheinlichsten ist Folgendes: Er hat meine Geschwindigkeit unterschätzt. Im Kopf ist irgendwo abgespeichert „Segelboote sind langsam“ und damit, dass eine einfallende Böe einen Segler unvermittelt beschleunigen kann, rechnet er nicht. Ich beobachte das immer wieder: Fast alle Motorbootfahrer scheinen es unter ihrer Würde zu finden, den Hebel etwas zurückzuziehen und sicher hinter dem Heck eines gemächlich vorbeigleitenden Segelboots weiterzufahren. Fast alle geben Gas und versuchen, noch vor dem Bug vorbeizukommen. In der Regel klappt das, aber manchmal – siehe oben – auch nicht.

Wer sich auf dem Wasser bewegt, sollte eine ungefähre Vorstellung haben, wie andere sich dort bewegen (können). Auch wenn ich hart am Wind dem Leeufer immer näher kommend eine Wende mache und der neue Kurs den eines Motorboots kreuzt, dann mache ich das nicht aus Daffke. Wer nur eine ungefähre Ahnung hat, wie Segeln funktioniert, kann eine solche Situation voraussehen und völlig ohne Stress vorausschauend reagieren. Es geht auch nicht darum, unbedingt auf dem Vorfahrtsrecht zu beharren. Natürlich weiche ich einem Motorboot aus, dessen Skipperin offensichtlich gerade einen Steg ansteuert um anzulegen. Oder einem unsicheren Surfer, der Mühe hat, das Gleichgewicht zu halten –  obwohl hier natürlich streng genommen die gleichen Regeln gelten wie unter Segelbooten.

Einfach ein bisschen mitdenken … das würde in der Regel schon helfen. Dazu muss man nur eine ungefähre Ahnung davon haben, welche Bewegungsmöglichkeiten der andere hat und wie sich die Situation aus seinem Blickwinkel darstellt. Dann kann man vorausschauend und rücksichtsvoll fahren und alles bleibt entspannt. Das sollte eigentlich nicht nur auf dem Wasser gelten.

 

Lechts und rinks

Dienstag, August 7th, 2018

Zu diesem Blogpost wurde ich angeregt durch eine Facebook-Diskussion über die Bezeichnung von Schleusenkammern bei Doppelkammerschleusen.

„Steuerbord ist rechts, Backbord ist links“ ist ja wohl so ziemlich das Erste, was jeder Bootsneuling lernt. Aber stimmt das überhaupt? Ich meine (haltet euch fest, atmet tief durch): Nein. Jedenfalls nicht in dem Sinn, dass Steuerbord und rechts bzw. Backbord und links jeweils Synonyme seien, also genau die selbe Bedeutung hätten.

Was ist der Unterschied? Das Bezugssystem: Rechts und links werden in der Regel aus Sicht des Sprechenden gesehen. Wenn ich sage „links“, dann meine ich „links von mir“. (Es gibt auch Bereiche, wo das anders definiert ist, z.B. bei der Bezeichnung von Flussufern, aber dazu kommen wir noch.)

Steuerbord und Backbord haben ein anderes Bezugssystem, nämlich das Boot oder Schiff. Steuerbord ist immer die rechte Bootsseite, bzw. das, was rechts liegt, wenn man zum Bug schaut. Vollkommen eindeutig, klar und ohne Ausnahme. Und das ergibt auch Sinn – es ist wie die meisten Fachbegriffe nicht in erster Linie dazu da, Laien zu verwirren, sondern für Klarheit in der Kommunikation zu sorgen. Ein Beispiel:

Schiff fährt auf einem flachen Gewässer mit tückischen Sandbänken. Im Bug steht das Besatzungsmitglied mit den besten Augen und hält Ausschau nach verräterischen Verfärbungen des Wassers. Da! Der Ausguck dreht sich nach hinten und ruft der Rudergängerin zu: „Achtung! Sandbank voraus! Ruder hart links!“ Steuerfrau: „Von dir aus links, oder von mir aus?“ „…“ KNIRRRSCH. Dagegen „Ruder hart backbord!“ : Keine Zweifel, eindeutig definiert, keine Rückfrage. Ok, das ist ein bisschen konstruiert, aber man versteht was ich meine, nicht wahr?

Auf Booten und Schiffen hat man also für begriffliche Klarheit gesorgt, indem zwei zusätzliche, eindeutig definierte Worte eingeführt wurden. Man kann natürlich auch per Absprache oder Verordnung festlegen, was das Bezugssystem ist. So macht es die Binnenschifffahrtsstraßenordnung, wenn es darum geht, wie die Ufer von Wasserstraßen bezeichnet werden. Bezugssystem ist hier die Fließrichtung des Gewässers. Das rechte Ufer ist das, was sich in Fließrichtung gesehen rechts befindet, und das linke, was sich in Fließrichtung gesehen links befindet. Immer. Egal von wo man kommt. Die Lage des Marineservice Niederlehme zum Beispiel ist beschreibbar mit „DaW, km 7,2 RU“ In Worten: Der Marineservice  befindet sich am rechten Ufer der Dahme-Wasserstraße in Höhe von km 7,2. Er ist auch dann noch am rechten Ufer, wenn man aus Berlin kommend dahmeaufwärts fährt und der Marineservice links von einem liegt, also an Backbord. Ja, bei Bergfahrern liegt das rechte Ufer an Backbord und das linke an Steuerbord. Ich habe dazu mal eine Zeichnung gemacht:

Ist eigentlich ziemlich klar, oder? Steuerbord und Backbord sind immer und überall bezogen auf das Boot oder Schiff. Rechts und Links können je nach Kontext (oder Festlegung in einem Regelwerk) unterschiedlich definiert sein.

Und doch – die Erfahrung zeigt, dass der Unterschied zwischen „rechts“ und „Steuerbord“ (bzw. zwischen „links“ und „Backbord“) nicht jedem zu jeder Zeit bewusst ist. Selbst Schleusenwärter geben u.U. missverständliche Anweisungen. Da hilft nur nachfragen; denn wir können zwar beim Bier oder auf Facebook trefflich über solche Fragen diskutieren. Aber mit Schleusenwärtern zu diskutieren ist erfahrungsgemäß keine gute Idee.

Das letzte Wort jedoch gebührt dem Dichter.

Off Topic: Ich habe die Kommentarfunktion nach einigen datenschutzrelevanten Änderungen wieder aktiviert. Wer zum ersten Mal hier kommentiert, muss einen Moment warten, bis sein Kommentar für alle sichtbar wird – er wird manuell frei geschaltet. Wer (mit gleicher Mailadresse und gleichem Namen) schon mal was geschrieben hat, dessen Kommentar erscheint sofort. 

Begegnungen

Freitag, April 29th, 2016

Auch Berufsschiffer suchen mitunter die technische Hilfe des Marineservice Niederlehme. Kürzlich lag ein Schubschiff des WSA, das Probleme mit seinem Generator hatte, am Steg neben der Anna Karenina. So kam man ins Gespräch. Den freundlichen Schiffsführer zieht es auch in seiner Freizeit aufs Wasser, und er nahm gerne die Einladung an, sich mal auf der Anna K. umzusehen. Im Gegenzug habe ich mir natürlich sein Schiff zeigen lassen.

Yacht und Berufsschiff in trauter Eintracht beim Marineservice Niederlehme

Das ist schon interessant. Gesteuert wird dort mit dem Antrieb, der sich um 360° drehen lässt. Auf diese Weise ist das Schiff extrem beweglich. Die Maschine hat keinen Rückwärtsgang, rückwärts wird gefahren, indem der Antrieb um 180° gedreht wird. Nur: Das Drehen dauert 14 Sekunden. Aufstoppen ist nicht!

Es wird ja (hoffentlich) sowieso niemand auf die Idee kommen, einem Berufsschiff knapp vor den Bug zu fahren. Aber es kann nichts schaden wenn auch Sportbootfahrer wissen, was mit so einem Schubschiff geht und was nicht. Mit ein bisschen Vorausschau und gegenseitigem Verständnis kommen wir auf dem Wasser nämlich prima miteinander aus. Die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel.

Funk oder nicht Funk?

Montag, April 23rd, 2012

Im größten Teil unseres Reviers ist Sprechfunk an Bord vollkommen überflüssig, weil es (fast) keine Berufsschifffahrt gibt und weil alles klein und überschaubar ist und sehr ruhig zugeht.

Wenn man aber mal weiter weg* fährt, erweist sich ein Funkgerät als nützliche Sache, auch Binnen. Man kann sich an der Schleuse oder Klappbrücke  anmelden, man kriegt mit, ob just an einer Engstelle ein Schubverband entgegen kommt und man kann allgemein mit den anderen auf dem Wasser und an Land viel besser kommunizieren.

Wenn man binnen ein UKW-Sprechfunkgerät in Betrieb nehmen will, benötigt man laut „Binnenschifffahrt-Sprechfunkverordnung“ das „UKW-Sprechfunkzeugnis für den Binnenschifffahrtsfunk“ (UBI). Das ist nicht sonderlich schwer zu erwerben; ich selbst habe es vor drei Jahren gemacht. Man lernt dort die wichtigsten Vorschriften, etwas Technik und die notwendigen Sprachregelungen im Funkverkehr. Das soll sicher stellen, dass alle, die ein Funkgerät bedienen, damit auch verantwortungsvoll umgehen und nicht beispielsweise Mayday-Rufe durch sinnloses Gequatsche stören. So weit, so sinnvoll.

Wir hätten unsere Boote – zumindest die große Anna K. und die kampferprobte Anna Blume – gerne mit Funkgeräten ausgerüstet. Aber das geht nicht. Warum nicht? Die meisten unserer Gäste haben keinen Funkschein und brauchen auch keinen (s.o.). Nun, könnte man meinen, dann lassen die eben die Finger vom Funkgerät und gut ist. Aber so einfach ist das nicht! In der Binnenschifffahrtsstraßenordnung heißt es nämlich:

Jedes mit einer Sprechfunkanlage ausgerüstete Fahrzeug muss sich vor der Einfahrt in unübersichtliche Strecken, Fahrwasserengen oder Brückenöffnungen auf dem für den Verkehrskreis Schiff-Schiff zugewiesenen Kanal melden.

Mit anderen Worten: wer Funk hat muss auch funken. Und funken darf nur, wer den Funkschein hat. Folglich darf man mit einem Boot, das mit Funk ausgerüstet ist, nur fahren, wenn man einen Sprechfunkschein hat. Wir würden also die meisten unserer Gäste vom Chartern ausschließen, wenn wir Funkgeräte an Bord hätten.

Das ist schade. Denn eigentlich dienen Funkgeräte der Sicherheit auf dem Wasser. Und wenn die Vercharterer Funk an Bord hätten, wären sicher auch mehr Binnenfahrer motiviert, den UBI-Schein zu machen. Dann würden mehr Vercharterter ihre Boote mit Funk ausrüsten usw. Eine positive Spirale. Aber so wird daraus nix.

Dabei würde ein kleines Wörtchen mehr in der Binnenschifffahrtsstraßenordnung das Problem wahrscheinlich lösen: Stünde da „Jedes mit einer betriebsbereiten Sprechfunkanlage ausgerüstete Fahrzeug …“  müsste man einfach nur die Sicherung des Funkgeräts ziehen, wenn jemand ohne Funkschein fährt, und alles wäre wieder legal. Ob ich mal wieder an den Verkehrsausschuss schreibe? 🙂

Der Einsatz von Funkgeräten auf Sportbooten wird übrigens zusätzlich noch durch Folgendes erschwert: Nach der „Regionalen Vereinbarung“,  die in den meisten europäischen Ländern gilt, sind Handfunkgeräte auf Sportbooten binnen nicht zugelassen (und auf großen Schiffen nur für den internen Funkverkehr).

Gäbe es dieses Verbot nicht, könnten sich engagierte Charterer selbst eine Handfunke kaufen, und bei Bedarf aufs Boot mitbringen. Und wir könnten mit ein und dem selben Funkgerät unsere Boote nacheinander durch Berlin überführen. Der Grund, warum Handfunkgeräte nicht zulässig sind, ist mir nicht ganz klar. Wenn jemand mit dem Funkgerät Mist bauen will, kann er es doch auch mit einem fest eingebauten. Vielleicht sollte einem zu denken geben, dass in den beiden großen Seefahrernationen England und Holland Handfunkgeräte erlaubt sind?

*Berlin reicht schon, wie wir gerade wieder aus aktuellem Anlass feststellen.

Ganz schön happig?

Freitag, April 6th, 2012

Auch bei uns kann man ohne Sportbootführerschein eine Yacht chartern. Anna Blume, Edmond Dantès, Piet Hein und Don Giovanni können auch mit dem so genannten Charterschein gefahren werden. Ausgenommen davon sind nur das größte (Anna Karenina) und das kleinste unserer Boote (Lucia).

Was ist ein Charterschein? Das ist die Erlaubnis, für einen begrenzten Zeitraum in einem begrenzten Gebiet eine Charteryacht zu führen. Der Charterschein wird vom Charterunternehmen ausgestellt, nachdem – und jetzt kommt’s – eine mindestens dreistündige Einweisung in Theorie und Praxis des Bootfahrens erfolgt ist. So schreibt der Gesetzgeber es vor. Und so machen wir das auch. Bei uns wird mit dem gecharterten Boot geübt, bis der Gast es sicher führen kann. Günter lässt keinen aus dem Hafen, der nicht weiß, was er tut.

Natürlich machen wir das aus eigenem Interesse. Erstens sind uns unsere Boote lieb und teuer (!), zweitens wollen wir, dass unseren Gästen die Freude am Bootfahren nicht durch hässliche Erlebnisse vergällt wird. Denn wir möchten, dass sie wiederkommen, das zweite Mal – wer weiß? – vielleicht schon mit eigenem Führerschein.

Die Charterscheinausbildung  kostet bei uns 120.- €. Das ist rund das Doppelte davon, was viele Mitbewerber verlangen. „Ganz schön happig“ bemerkte schon mal jemand dazu. Was haben wir zu unserer Verteidigung zu sagen? Nun, man hat uns zugetragen, das mit den drei Stunden werde bei einigen Mitbewerbern nicht gar so eng gesehen. Mitunter soll die Einweisung sogar recht flüchtig erfolgen. Natürlich hoffen wir, dass das nur  Gerüchte ohne Hand und Fuß sind.

Unsere Einweisung jedenfalls ist ausführlich und erschöpfend. Wer bei uns den Charterschein gemacht hat, kennt die wichtigsten Regeln und kann das Boot navigieren. Das macht den Bootsurlaub entspannt und sorgt für Sicherheit auf dem Wasser. Und es ist sein Geld wert.

 

ADS* bei MDB’s

Mittwoch, März 7th, 2012

Auf meine erste Anfrage haben ja noch alle geantwortet. Und es wurden auch von allen – ansatzweise – Argumente vorgebracht. Damit war die Aufmerksamkeitsspanne einiger MdB’s aber wohl schon überbeansprucht. FDP und Linke haben auf meine Nachfrage überhaupt nicht mehr reagiert, die CDU hat etwas unkonzentriert und die Grünen haben (allerdings begründet) kurz geantwortet. Nur Hans-Joachim Hacker (SPD) ist explizit auf mein zweites Paper eingegangen. Ich dokumentiere das hier.

Ich fasse mal zusammen: Der Bundestag hat beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern**, die Leistungsgrenze für führerscheinfreie Boote von 5 auf 15 PS zu erhöhen,

• ohne die sicherheitstechnischen Folgen abschließend zu klären,
• ohne wirkliche Experten anzuhören,
• und ohne an einige wichtige Aspekte überhaupt nur zu denken.

Na gut, die Welt wird davon nicht untergehen. Es gibt wahrhaftig Wichtigeres als den Sportbootführerschein. Wenn ich aber dran denke, dass bei Themen, von denen ich nichts verstehe (sagen wir z.B. Gentechnik oder Finanztransaktionen), womöglich auf ebenso unzureichender Grundlage entschieden wird, dann wird mir ganz flau.


* Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom

** Tatsächlich ist die Erhöhung als solche noch nicht beschlossen, sondern nur die Regierung aufgefordert worden, eine entsprechende Gesetzesvorlage vorzubereiten. Es gibt also noch etwas Hoffnung. Der beschlossene Antrag ist hier zu lesen.


Zu wenig Leistung!

Donnerstag, Februar 16th, 2012

Im Zuge der Diskussion um die Führerscheinregelung fiel mir auf, dass ein Problem offenbar noch kaum angesprochen wurde: die Untermotorisierung. Das klingt paradox, soll doch die Leistungsgrenze für führerscheinfreie Boote  gerade von 5 auf 15 PS erhöht werden. Aber schon jetzt verleitet die PS-Grenze für die Führerscheinfreiheit dazu, verhältnismäßig große Wasserfahrzeuge mit einer Motorleistung auszustatten, die zu gering ist, um das Gefährt bei Wind oder Strömung sicher zu manövrieren. (Man google z.B. einfach mal „Floß mieten führerscheinfrei“). Warum die Zulassungspraxis dem keinen Riegel vorschiebt, weiß ich nicht. Aber sie tut es offensichtlich nicht.

Eine Erhöhung der Leistungsgrenze würde das Problem verschärfen; denn dadurch kämen viele in Versuchung, noch größere Boote (womöglich bis hin zum 15-m-Hausboot) mit lediglich 15 PS auszustatten, um sie führerscheinfrei zu halten. Es wäre also mit einer wachsenden Flotte nur eingeschränkt manövrierbarer Wasserfahrzeuge zu rechnen.

Wir kriegen mit der geplanten Neuregelung nicht nur mehr umherflitzende Schlauchbootkids, die die Ausweichregeln nicht kennen, sondern auch noch  eine wachsende Zahl  großer behäbiger Schiffe, die bei Windstärke 4 kaum noch manövrierbar sind. Und das auf allen Wasserstraßen – nicht nur dort, wo heute die Charterscheinregelung gilt.

Ein Motiv mehr, nicht aufzugeben. Ich habe deshalb die zuständigen Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen noch einmal angeschrieben und ergänzende Fragen gestellt.

Ein Argument gegen die Geschwindigkeitsgrenze nach holländischem Vorbild war stets, dass man das schwer kontrollieren könnte. Das Argument ist nicht abwegig ( obwohl die Holländer damit offensichtlich klar kommen). Als Lösung und gangbaren Kompromiss habe ich deshalb vorgeschlagen, eine Grenze für das Leistungsgewicht führerscheinfreier Boote festzusetzen. Mit einem vernünftigen minimalen Leistungsgewicht könnte sichergestellt werden, dass führerscheinfreie Boote nicht ins Gleiten kommen. Das wäre gleichbedeutend mit einer Geschwindigkeitsgrenze, aber leicht zu kontrollieren; denn Verdrängung und Leistung stehen in den Papieren. Mehr Informationen dazu gibt es in dem Paper, das ich als Anhang auch an die Bundestagsabgeordneten gesandt habe.

Weiter mit 15 PS

Donnerstag, Februar 9th, 2012

Die Ehre der Grünen ist  gerettet. Gestern traf hier eine ausführliche Antwort vorn Frau Dr. Valerie Wilms (GRÜNE) ein. Ich habe den Wortlaut an die Datei mit den gesammelten Antworten der Parteien angehängt.

Kurz zusammengefasst: Die Grünen sind – was nicht weiter überrascht – gegen die Erhöhung der PS-Grenze. Auch einer geschwindigkeitsabhängigen Neuregelung stehen sie skeptisch gegenüber. Interessant war der Link zum Protokoll der Expertenanhörung, der jetzt aber nicht mehr funktioniert. Ich habe das Protokoll aber hier. (6 MB)

Nachdem mir nun die Antworten aller Bundestagsparteien vorliegen, werde ich den Damen und Herren wohl ein bisschen auf die Nerven gehen und nochmal nachfragen. Bis ich die Nachfragen formuliert habe, wird es aber etwas dauern – diese Politik ist irgendwie anstrengend.

Neues vom Bundestag

Dienstag, Februar 7th, 2012

Gestern bekam ich noch folgende Mail:

Sehr geehrter Herr Leser,

ich danke Ihnen sehr für Ihre E-Mail vom 22. Januar 2012, in der Sie dafür werben, dass die Führerscheinpflicht für Motorboote nicht an der Leistungsgrenze sondern an der tatsächlich erreichbaren Höchstgeschwindigkeit ausgerichtet wird.

Dieser Argumentation kann ich gut folgen und werde daher Ihr Anliegen an die zuständigen Fachpolitiker meiner Fraktion weiterleiten.

Ich hoffe, in Ihrem Sinne gehandelt zu haben und verbleibe
mit den besten Grüßen
Kai Wegner

Mitglied des Deutschen Bundestages
Vorsitzender der Landesgruppe Berlin in der CDU/CSU-Fraktion

(Hervorhebung von Anna Blume BLogbuch)

Man liest und staunt. Sollte mein Briefchen am Ende doch noch Anlass für eine Korrektur werden, obwohl das Gesetz im Prinzip schon verabschiedet wurde? Kann ich eigentlich kaum glauben.

Eins muss ich zum Lobe  der sonst wenig gelobten Volksvertreter aber feststellen: Ich war überrascht, dass alle (bis auf die Grünen :-() geantwortet haben und qualifiziert auf meinen Vorschlag eingegangen sind. Ich weiß natürlich nicht, ob die Abgeordeten das jeweils selbst verfasst haben oder jemand aus ihrem Team, aber das spielt im Grunde keine Rolle.

Mit Höchstgeschwindigkeit verabschiedet

Freitag, Januar 27th, 2012

Wie schnell es manchmal geht! Letzte Woche die Experten-Anhörung und gestern schon vom Bundestag verabschiedet. Da staunt der politische Laie. Allzuviel Zeit haben sich die Abgeordneten nicht genommen, die Experten-Meinungen zu prüfen und zu überdenken.

Apropos „Experten“: Sportverbände, Wasserschutzpolizei, ADAC, Wasserwirtschaftsverband… Das waren wohl eher Interessengruppen als Fachleute. Wohlgemerkt: es spricht nichts dagegen, die Meinungen von Interessengruppen anzuhören, im Gegenteil! Aber vielleicht wäre es doch nicht so schlecht gewesen, außerdem ein paar richtige Experten anzuhören; sagen wir mal einen Sicherheitsfachmann und eine Bootsbauerin. Die hätten wohl wenigstens klar stellen können, wie schnell ein Gleiter mit 15 PS fährt. Und was es für einen Unterschied macht, wenn man mit 40 statt mit 20 km/h gegen eine Spundwand knallt.

Aber der Zug ist wohl raus. Man kann jetzt seine Hoffnung höchstens auf die Evaluierung nach 3 Jahren setzen (oder auf die Trägheit der Verwaltung beim Umsetzen der neuen Bestimmungen). Aber selbst wenn sich dann negative Auswirkungen herausstellen, wird man die neue Regelung schwer zurücknehmen können. Man denke nur an die Leute, die sich bis dahin 15-PS-Boote angeschafft haben, aber keinen Führerschein besitzen. Die werden Sturm laufen! Abgesehen davon ist so eine Überprüfung gar nicht so einfach, weil es meines Wissens im Wassersportbereich keine vernünftigen Unfallerhebungen gibt.

In einem Punkt muss ich übrigens Abbitte tun: Die FDP ist es (diesmal) nicht gewesen. Patrick Döring, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, schrieb:

Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich im Rahmen der Abstimmung des Koalitionsantrages, wie in unserem Positionspapier vom April letzten Jahres ausgeführt, für eine Übernahme der niederländischen Regelung ausgesprochen.

Aber die Koalitionsdisziplin wollte es anders:

Doch angesichts des Widerstandes einiger Verbände, des Bundesverkehrsministeriums und einiger Teile der CDU/CSU einigten wir uns auf den Kompromiss einer Erhöhung der PS-Grenze auf 15 PS. 

Weiter schreibt er:

In der Anhörung des Verkehrsausschusses am 18.01. erklärten u.a. ADAC und Wasserschutzpolizei, dass die von Ihnen beschriebenen Gleitboote mit einem 15 PS Motor etwa 25 km/h schnell wären.

Seltsam. Hätte man das nicht noch wenigstens ein bisschen, ein ganz kleines bisschen, prüfen können? Werden unsere Gesetze eigentlich immer auf so unsolider Informationsbasis beschlossen?

Und wo bleibt das Positive? Überrascht hat mich, dass (bis auf die Grünen – aber da kommt sicher noch was) alle Fraktionen qualifiziert auf mein Paper eingegangen sind. Hier habe ich die Antworten in einem PDF zusammengestellt.

Für mich ist die Sache aber noch nicht ganz zu Ende. Ich hätte da nämlich noch ein paar Fragen …

Weitere Quellen: