Dankenswerterweise hat es die Hauspostille des NV-Verlags in ihrer letzten Ausgabe noch einmal aufgegriffen: Verkehrsminister Ramsauers finstere Pläne für die deutschen Wasserstraßen. Die Meldung ist schon älter, aber im Januar ziemlich unbeachtet geblieben. Im Kern sieht der Plan vor, nur noch Wasserstraßen auszubauen, auf denen viel Güterverkehr abgewickelt wird. Die mit wenig Güterverkehr sollen nur erhalten und die ohne Güterverkehr „entwidmet“werden. Hier in der „taz“ und hier in der „Welt“ kann man zwei unterschiedliche Sichtweisen auf die gleiche Meldung nachlesen. Ich will mich nicht dazu äußern, wie sinnvoll der Ausbau von Havel oder Saale für große Schubverbände ist, sondern nur zu der dritten Gruppe (kein Güterverkehr) Stellung nehmen.
Fast alle Gewässer, auf denen wir heute mit unseren Booten herumschippern, sind praktisch frei vom Güterverkehr: Obere Havel, Seenplatte, Müritz-Elde-Wasserstraße, Storkower und Teupitzer Gewässer, Untere Havel zwischen Plaue und Havelberg: Alles Kandidaten für die „Entwidmung“.
Was heißt es aber, wenn Wasserstraßen „entwidmet“ werden? Zunächst einmal, dass der Bund die Verantwortung für die Wasserstraßen abgibt, im Wesentlichen an die Bundesländer. Solange ein Gewässer als Bundeswasserstraße geführt wird, ist der Staat verpflichtet, das Gewässer schiffbar zu halten, also die Schleusen zu erhalten und für eine gewisse Mindesttiefe des Fahrwassers zu sorgen. Bei der Umwandlung in Landesgewässer entfällt diese Verpflichtung, das Land kann dann entscheiden, ob es Geld für die Erhaltung ausgibt oder nicht.
Angesichts der extrem klammen Kassen von Berlin, Brandenburg und Meckpomm bedeutet das, dass man sich über den künftigen Zustand der Wasserstraßen ernste Sorgen machen muss. Klar werden auch die Länder nicht gleich die Kanäle zuschütten und die Schleusen abbauen. Auch in Potsdam oder Schwerin weiß man um die touristische Bedeutung der Gewässer. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn die Verpflichtung zum Erhalt der Wasserstraßen entfällt, wird die Versuchung groß sein, bei den Haushaltsplanungen am Etat der „unwichtigen“ Gewässer immer wieder was abzuknapsen.
Und schon bricht die erste Schleuse mitten in der Saison zusammen. Bis Geld für ihre Reparatur locker gemacht wird, vergehen Jahre. In der Zwischenzeit verkrautet und verschlammt der Kanal. Die Instandsetzung wäre viel zu teuer. Also lässt man es. Und peu a peu schrumpft das Netz der schiffbaren Wasserstraßen. Schon heute sind die (wenigen) Brandenburgischen Landeswasserstraßen – etwa der Wentowkanal oder die Ruppiner Gewässer – in schlechterem Zustand als die Bundeswasserstraßen.
Dazu kommt, dass manche diese Art „Renaturierung“ auch noch bejubeln. Mehr noch: wahrscheinlich wird man versuchen, das Zurückfahren der notwendigen Investitionen von vornherein als Naturschutzmaßnahme zu verkaufen. Bei der Diskussion um den Berliner Landwehrkanal konnte man solche Argumente schon hören.
Das Ganze liegt im Trend. In Jahrhunderten von Generationen geschaffene Infrastruktur wird aus kurzsichtigem Sparwahn auf Verschleiß gefahren und dem Verfall überlassen. Bei den hausgemachten Überschwemmungen an der Dahme im Januar dieses Jahres konnte man einen Vorgeschmack davon bekommen, was uns erwartet.
Ich meine, es wird Zeit gegenzusteuern. Der Erhalt der Natur ist wichtig. Doch wichtig ist auch der Erhalt des kulturellen und technischen Erbes. Und dazu gehören nicht nur Kathedralen oder denkmalgeschützte Industriebauten. Der Landwehrkanal in Berlin, der Finowkanal in Brandenburg und die vielen anderen kleineren Wasserverbindungen sind bedeutende historische Bauwerke. Sie müssen erhalten werden – und zwar funktionstüchtig erhalten werden. Dann kann man sie ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäß weiter nutzen: nämlich Schiffe darauf fahren lassen! Nur sind es eben nicht mehr die Lastkähne mit Ziegeln aus Zehdenick, sondern Ausflugsschiffe und Yachten mit Gästen aus aller Welt. So erhält man kulturelles und technisches Erbe auf natürliche und lebendige Weise.